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ATAD-Umsetzungsgesetz – Teil I: Wesentliche Regelungsbereiche im Überblick

Exakt ein Jahr nach Veröffentlichung des zweiten Referentenentwurfs durch das BMF hat die Bundesregierung auf der Zielgeraden dieser Legislaturperiode am 24.3.2021 nun das Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATADUmsG) verabschiedet. Wir hatten bereits über den aktuellen Stand dieses – im Bereich des internationalen Steuerrechts lang erwarteten – Gesetzesvorhabens berichtet. Nachfolgend soll ein aktueller Überblick über das nun verabschiedete Gesetz vermittelt werden.

Einführender Überblick

Bereits durch die EU-Steuervermeidungsrichtlinie 2016/1164 vom 12.7.2016 (ATAD) war Deutschland gezwungen, dieses Sekundärrecht in nationales Recht zu transformieren und die entsprechenden Steuergesetze anzupassen. Durch die Vorgabe von Mindeststandards innerhalb der EU soll ein Teil der Ergebnisse des BEPS-Projekts der OECD einheitlich umgesetzt werden, um dadurch Steuervermeidungspraktiken in Form aggressiver Steuerplanung sowie Gewinnverlagerungen unterbinden bzw. zumindest einschränken zu können.

Neben den Veränderungen in Bezug auf die Hinzurechnungsbesteuerung, die separat in Teil II nachfolgend dargestellt werden, regelt die Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) Maßnahmen zur Ent- und Verstrickungsbesteuerung, zur Wegzugbesteuerung sowie bei hybriden Gestaltungen bzw. bei Besteuerungsinkongruenzen und weiteren Vorschriften. Das ATADUmsG wird in der Folge zu umfänglichen Rechtsänderungen im Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe-, Investment- und Außensteuerrecht führen.

Ent- und Verstrickung im Betriebsvermögen

Bereits heute ist bei einer Verstrickung gesetzlich normiert, dass die Begründung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich eines einzelnen Wirtschaftsguts bei Überführung über die Grenze zu einer fiktiven Einlage führt, die der Höhe nach grundsätzlich mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist. In Umsetzung des Art. 5 Abs. 5 ATAD soll zukünftig auf den ausländischen Entstrickungswert abgestellt werden, maximal bis zum gemeinen Wert. 

Diese Regelung soll ebenfalls für Körperschaften gelten. Des Weiteren wird gesetzlich eine Verstrickung bei Wegfall einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts (z.B. bei Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausländischen Anrechnungs- in eine Inlandsbetriebsstätte) geregelt.

Im Falle der Entstrickung bei Überführung eines Wirtschaftsguts in das Ausland mit Verlust bzw. Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts sieht die bisherige gesetzliche Regelung die Bildung eines steuerlichen Ausgleichspostens außerhalb der Bilanz gem. § 4g EStG vor, sofern es sich um ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens handelt, das von einem unbeschränkt Steuerpflichtigen in einen anderen EU-Mitgliedstaat überführt wird.

Hinweis: Zukünftig sollen auch beschränkt Steuerpflichtige in den Anwendungsbereich der Regelung fallen, ebenso wie Umlaufvermögen und Sachverhalte mit  grenzüberschreitenden Überführungen in EWR-Staaten.

Wegzugbesteuerung

Anpassungen wird es durch die EU-Richtlinie bzw. das ATADUmsG auch bei der Wegzugsbesteuerung i.S. des § 6 AStG bei natürlichen Personen geben, die z.B. GmbH-Anteile im Privatvermögen besitzen und in das Ausland verziehen. Da Deutschland insoweit an diesen Anteilen das Besteuerungsrecht in Folge des Wegzugs und des damit verbundenen Wechsels der Ansässigkeit verliert, findet grundsätzlich eine finale Schlussbesteuerung im Zeitpunkt des Grenzübertritts statt. Aufgrund europarechtlich garantierter Grundfreiheiten kamen bislang umfangreiche Stundungsregelungen bei Wegzug in das EU/EWR-Ausland zum Tragen.

Die unbefristet zinslose Stundungsmöglichkeit ohne Sicherheitsleistungen bei Wegzug in das EU/EWR-Ausland soll zukünftig nicht mehr möglich sein. Es kommt zu einer Verschärfung der Regelungen dahingehend, dass die geschuldete Steuer auf Antrag in sieben gleichen Jahresraten und i.d.R. gegen Sicherheitsleistungen zu entrichten ist. Die Jahresraten werden dagegen auch zukünftig nicht verzinst.

In persönlicher Hinsicht werden natürliche Personen betroffen sein, die insgesamt sieben der letzten zwölf Jahre in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren. Bislang stellt die gesetzliche Regelung allein darauf ab, dass die natürlichen Personen mindestens zehn Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren.

Hybride Gestaltungen

Mit den Art. 9 und 9b der ATAD, für die der verabschiedete Gesetzentwurf der Bundesregierung die erstmalige Implementierung eines § 4k EStG-E vorsieht, sollen hybride Gestaltungen durch Versagung des Betriebsausgabenabzugs bei Besteuerungsinkongruenzen eingeschränkt werden; dies soll ungeachtet von DBA-Vorschriften erfolgen.

Anzuwenden ist die Vorschrift bei nahestehenden Personen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG oder zwischen Steuerpflichtigen und ihren Betriebsstätten, welche eine strukturierte Gestaltung zur Erlangung eines steuerlichen Vorteils anwenden, die ein hybrides Element aufgrund der unterschiedlichen Ansässigkeiten und damit einhergehend der Behandlung durch die unterschiedlichen Besteuerungsregime beinhalten.

Dies kann z.B. sein, wenn die Betriebsausgaben im Inland abgezogen, jedoch im ausländischen Staat nicht besteuert werden, oder andere vergleichbare Sachverhaltskonstellationen in Form hybrider Gestaltungen vorliegen.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, wie sich der Gang des Gesetzgebungsverfahrens im Bundestag und Bundesrat sowie den Ausschüssen weiter darstellen wird. Aufgrund des  Kabinettsbeschlusses im Frühjahr 2021 dürfte es die Zielsetzung der Bundesregierung und des BMF sein, die EU-Richtlinie aus 2016 mit ursprünglicher Umsetzungsfrist bis zum 31.12.2018 nun noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen.

Ob dies gelingt und ggf. mit welchen Änderungen, muss weiterhin detailliert beobachtet werden. Insbesondere bleibt zu hoffen, dass der maßgebende Prozentsatz der Niedrigbesteuerung im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung (dazu mehr im nachfolgenden Beitrag) nach unten angepasst wird, weil eine Besteuerung mit 25% nicht sachgerecht erscheint und zu Unrecht eine Vielzahl von Steuerpflichtigen und Sachverhalte erfassen würde.

Zu begrüßen sind die geplanten Änderungen bei dem weiter gefassten Anwendungsbereich der Entstrickung von Wirtschaftsgütern, der zukünftig auch Umlaufvermögen umfassen und ebenso beschränkt Steuerpflichtigen offenstehen soll.

Ausblick: Insbesondere bei der geplanten Verschärfung der Wegzugbesteuerung in § 6 AStG muss der Gesetzgebungsprozess beobachtet werden. Diese Neuregelungen sollen ab dem Veranlagungszeitraum 2022 gelten. Für die am 31.12.2021 nach geltendem Recht noch laufenden Stundungen und Fristen sind die bisherigen Regelungen weiterhin anzuwenden. 

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