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Auf dem Weg zur Nachhaltigkeitsberichterstattung Teil III: Ein Anwendungsfall im Mittelstand

In Teil I dieser Beitragsserie wurde die Weiterentwicklung der nichtfinanziellen Berichterstattung hin zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSR-Richtlinie) im Lagebericht dargestellt. Die praktischen Herausforderungen sowie die Chancen der Ausweitung der Reportingpflichten für den Mittelstand waren Gegenstand des Teils II. Nachfolgend wird exemplarisch skizziert, welche Anforderungen einer der größten Autobauer weltweit an zuliefernde Unternehmen stellt und welche Schritte beim Lieferanten notwendig sind, um im Rahmen der Auftragsvergabe weiterhin Berücksichtigung zu finden.

Ausstrahlwirkung auf den Mittelstand

Die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung adressiert zunächst lediglich große und börsennotierte Unternehmen. In Branchen mit ausgeprägten Lieferketten – wie in der Automobilindustrie – kann es in Bezug auf die Nachhaltigkeitsperformance des Fahrzeugherstellers erforderlich sein, nichtfinanzielle Aspekte in der Lieferkette nachzuverfolgen. In diesem Fall sind dann auch Unternehmen von der Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffen, die weder groß noch börsennotiert sind.

Mithilfe einer nachhaltigkeitsbezogenen Lieferantenbewertung können Risiken in der Lieferantenkette frühzeitig erkannt und es kann dadurch präventiv – also bevor ein Missstand in den Medien auftaucht – auf Lieferanten eingewirkt werden. Ein Mittel zur Früherkennung bietet ein für die Automobilbranche standardisierter Selbstauskunftsfragebogen (SAQ), der dem Fahrzeughersteller Aufschluss über nachhaltiges Handeln in den Bereichen Soziales, Umwelt und Unternehmensethik der jeweiligen Lieferanten geben soll. 

Die Kommunikation, d.h. die Beantwortung des SAQ und das Hochladen der erforderlichen Dokumente sowie die Validierung des SAQ, werden über die NQC SupplierAssurance Internet-Plattform abgewickelt. Die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen und die Qualifizierung als Zulieferer oder Dienstleistungsunternehmen großer Automobilhersteller ist dann abhängig von einem positiven Rating. 

Zwischenergebnis: Indirekt können KMU somit ebenfalls von dem Gesetz zur Umsetzung der CSR-Richtlinie betroffen sein. 

Prüfung der Rating-Anforderungen

Die Anforderungen in dem SAQ richten sich an Standards in Bezug auf die Geschäftsführung, die Arbeitsbedingungen und Menschenrechte, den Arbeitsschutz, die Unternehmensethik, die Umwelt und das Lieferantenmanagement. Der Umfang der zu erfüllenden Pflichten hängt maßgeblich von der Unternehmensgröße (gemessen in Anzahl der Mitarbeiter) ab. Bei Unternehmen mit mehr als neun Mitarbeitern findet das S-Rating Anwendung. Geschäftspartner mit 10 bis 99 Mitarbeitern können durch die Erfüllung der Mindestanforderungen bereits ein positives Rating erhalten. Für Unternehmen ab 100 Mitarbeiter und bis 500 Mitarbeiter gelten jeweils höhere Anforderungen. Daneben findet eine Differenzierung zwischen produzierenden und dienstleistenden Unternehmen statt. Letztere müssen ein geringeres Anforderungsprofil erfüllen, da sie keine verantwortungsvolle Rohstoffbeschaffung erklären und nachweisen müssen.

Beispiel: Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Unternehmen, das Dienstleistungen für die industrielle Produktion und Fertigung erbringt und weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Im Ergebnis galten, aufgrund der Zugehörigkeit zum Dienstleistungssektor und der Beschränkung des Erfüllungsgrads auf die Mindestanforderungen, erleichterte Zugangsvoraussetzungen für die Vergabefähigkeit. Daher konzentrierten sich die Anstrengungen auf die Prüfung der Erfüllung der Mindestanforderungen, die im Folgenden näher erläutert werden.

Zu erfüllende Mindestanforderungen

Geschäftsführung: Verhaltenskodex

Im Bereich der Geschäftsführung sehen die Mindestanforderungen das Vorhandensein eines Verhaltenskodexes vor. Erst ab einer Mitarbeiteranzahl von 100 wird vom Auftraggeber die explizite Benennung leitender Mitarbeiter erwartet, welche die Gesamtverantwortung für die Nachhaltigkeit und Compliance tragen. Die Erwartungen an einen  CSR-/Nachhaltigkeitsbericht orientieren sich an den EU-Vorgaben zur Offenlegung von nichtfinanziellen Informationen und sind nur bei großen Unternehmen ab 500 Mitarbeiter relevant.

In einem Verhaltenskodex werden Verhaltensgrundsätze definiert, die die ethischen Grundsätze des Unternehmens verkörpern. Sie sollen Beschäftigten, aber auch Geschäftspartnern, Orientierung für den Umgang mit bestehenden Regeln im Unternehmen geben. 

Hinweis: Mithilfe des erforderlichen Verhaltenskodexes ist es möglich, über das nachhaltige Handeln in den Bereichen Soziales, Umwelt und Unternehmensethik zu berichten. Die nachfolgend in Bezug genommenen Richtlinien waren im konkreten Fall Bestandteil des Verhaltenskodexes.

Arbeitsbedingungen und Menschenrechte

In dem Bereich der Arbeitsbedingungen und Menschenrechte müssen die Geschäftspartner zumindest über eine Richtlinie zu Arbeitsbedingungen und Menschenrechten verfügen, die die Themenfelder Kinderarbeit und junge Arbeitnehmer, Löhne und Sozialleistungen, Arbeitszeit, moderne Sklaverei, Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen sowie Belästigung und Nichtdiskriminierung abdeckt.

Das Unternehmen muss sich hierbei zur Einhaltung eines hohen Standards bei der Berücksichtigung der Menschenrechte und anforderungsgerechter Arbeitsbedingungen verpflichten. 

Hinweis: Aufgrund der in Deutschland bereits gesetzlich vorgegebenen und anerkannten Menschenrechte sowie Arbeitsnormen erweist sich die Erfüllung dieser Kriterien für ein inländisches Unternehmen i.d.R. nicht als schwierig. Dennoch ist darauf zu achten, dass alle Themenfelder in der Richtlinie enthalten sein müssen und dass sich das Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte und guter Arbeitsbedingungen klar bekennen muss.

Arbeitsschutz

Arbeitsschutz bezieht sich auf die Erfassung, Bewertung und Kontrolle von Gefahren, die sich am Arbeitsplatz ergeben und die die Gesundheit bzw. das Wohlbefinden der Arbeitnehmer beeinträchtigen können. Mithilfe einer Richtlinie zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, die zumindest die Themenfelder Notfallvorsorge, Unfall- und  Störungsmanagement, Arbeitsplatzergonomie sowie Brandschutz beinhaltet, kann der Geschäftspartner diesen Anforderungen gerecht werden.

Empfehlung: Darin sollte aufgezeigt werden, welche spezifischen Maßnahmen im Bereich Arbeitsschutz ergriffen werden, um für einen gesunden und sicheren Arbeitsplatz zu sorgen.

Unternehmensethik und Umwelt

Das Unternehmen sollte außerdem über eine formelle Richtlinie zur Unternehmensethik verfügen. Darin sollten Maßnahmen thematisiert werden, die das Unternehmen gezielt einsetzt, um Korruption, Erpressung, Bestechung und Datenschutzmissbrauch vorzubeugen. Die notwendige Richtlinie zum Umweltschutz soll darüber hinaus aufzeigen, dass das Unternehmen Verantwortung für die Umwelt übernimmt, indem natürliche Ressourcen geschont werden und der ökologische Fußabdruck bei Produkten und Dienstleistungen gering 
gehalten wird. 

Fazit zur Umsetzung im Praxisfall

Insgesamt gesehen konnten im hier zugrundeliegenden Praxisfall die Anforderungen an die verschiedenen Standards erfüllt werden, indem ein Verhaltenskodex formuliert wurde, der die verschiedenen Richtlinien integriert. Im vorliegenden Fall galten erleichterte Zugangsvoraussetzungen für die Vergabefähigkeit, da es sich um ein kleines Unternehmen handelt. Vor dem Hintergrund, dass zudem ein inländisches Unternehmen geprüft wurde, erwies sich die Übersetzung der Richtlinien in Maßnahmen zur inhaltlichen Erfüllung der Vorgaben als nicht schwierig. Je nachdem, in welche Größenklasse ein Unternehmen fällt, können strengere Regelungen für die Vergabefähigkeit bestehen.

Hinweis: Unabhängig von Größenklassen ergibt sich in der Praxis die Schwierigkeit, die jeweilig zur Verfügung stehenden Daten wertend auslegen zu müssen, um auf diesem Weg relevante Anforderungen und Nachweise identifizieren zu können, die für die Erreichung des erforderlichen Erfüllungsgrads notwendig sind.

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