Zum Inhalt springen

Sie sind hier:

Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Immobilientransaktionen

Beispielsfälle und Empfehlungen zur Vertragsgestaltung

Grundsätzlich ist die Veräußerung von Immobilien ein steuerbarer, jedoch steuerbefreiter Umsatz, bei dem die Möglichkeit der Option zur Umsatzsteuerpflicht besteht. Eine Veräußerung von Immobilien kann jedoch auch eine Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) und damit einen nicht steuerbaren Umsatz darstellen. Im Folgenden sollen die Voraussetzungen einer GiG und deren umsatzsteuerliche Rechtsfolgen sowie hilfreiche Empfehlungen in Bezug auf Immobilientransaktionen dargestellt werden.

Gesetzliche Vorgaben

Im Rahmen einer GiG überträgt der Veräußerer die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens an einen anderen Unternehmer (Erwerber) für dessen Unternehmen. Eine GiG liegt gem. § 1 Abs. 1a UStG vor, wenn folgende Tatbestandsvoraussetzungen kumuliert vorliegen:

  • Übertragung eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebes im Ganzen (organisatorisch selbstständiger Unternehmensteil), mit der Möglichkeit der Fortführung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten, unternehmerischen Tätigkeit durch den Erwerber. Eine einzelne Immobilie kann bereits (abhängig von der Nutzung) ein Unternehmen darstellen.
  • Der Erwerber ist (bzw. wird durch den Erwerb) Unternehmer und nutzt die erworbene Immobilie im Rahmen seines Unternehmens.
  • Die Übertragung erfolgt entgeltlich oder unentgeltlich (z.B. per vorweggenommener Erbfolge).
  • Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit des Veräußerers durch den Erwerber (Änderung oder Modernisierung des Geschäftsbetriebs möglich, sofortige Auflösung schädlich).

Beispielfälle zur Abgrenzung von GiG

Vorliegen einer GiG

Sachverhalt: A vermietet eine Geschäftsimmobilie an das Einzelhandelsunternehmen E, das in der Immobilie eine Filiale betreibt. Im Mietvertrag hat A auf die Umsatzsteuerbefreiung des Vermietungsumsatzes verzichtet. Zwei Jahre nach dem Beginn des Mietverhältnisses verkauft A die Geschäftsimmobilie an die Privatperson B, die bisher keine unternehmerische Tätigkeit nach dem Umsatzsteuerrecht ausgeübt hat. B tritt in den bisherigen Mietvertrag zwischen A und E ein und führt die bisherige Vermietungstätigkeit des A selbst in unveränderter Form fort.

Lösung: Das Vermietungsunternehmen des A wird im Ganzen auf den (zukünftigen) Unternehmer E entgeltlich übertragen, der es unverändert fortführt. Es liegt eine GiG vor, da alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.

Nichtvorliegen einer GiG

Sachverhalt: Der bisherige Mieter der Geschäftsimmobilie E kauft die Immobilie von A und nutzt sie für eigenbetriebliche Zwecke weiter wie bisher.

Lösung: E führt nicht das Vermietungsunternehmen des A fort, sondern nutzt die Immobilie wie bisher für seine eigenen wirtschaftlichen Zwecke. Da der Erwerber E die bisherige unternehmerische Tätigkeit des Veräußerers A nicht fortführt, liegt keine GiG vor. In der Folge führt A einen steuerbaren Umsatz aus, für welchen unter den übrigen Voraussetzungen eine Option in Frage käme.

Weitere Beispielfälle

(1) Sofern ein Bauträger ein Gebäude erwirbt, saniert, weitgehend vermietet und anschließend veräußert, liegt ebenfalls eine GiG vor, sofern eine nachhaltige Vermietungstätigkeit des Bauträgers bereits bestand (Dauer von mindestens sechs Monaten), die vom Erwerber fortgeführt wird. 

(2) Sofern ein Erwerber ein verpachtetes Geschäftshaus kauft und nur hinsichtlich eines Teils des Gebäudes in die bestehenden Pachtverträge eintritt, liegt nur für diesen Teil des Grundstücks eine GiG vor. 

Schwierigkeiten bei der Prüfung einer GiG

Sofern eine GiG vorliegt, handelt es sich um einen nicht steuerbaren Umsatz. Der Erwerber tritt dabei hinsichtlich des ursprünglichen Vorsteuerabzugs in Bezug auf Grund und Boden und Gebäude in die „Fußstapfen“ des Veräußerers. Bei einer GiG kann im Gegensatz zu anderen Grundstücksumsätzen wegen der fehlenden Steuerbarkeit nicht zur Steuerpflicht gem. § 9 UStG optiert werden. Aufgrund der relativ vagen Kriterien der GiG ist es oft schwierig, für den Veräußerer und den Erwerber mit hinreichender Sicherheit festzustellen, ob eine GiG vorliegt. Infolgedessen kommt es in der Praxis regelmäßig zu Fehleinschätzungen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags über die entsprechende Immobilie ist daher oft fraglich, ob eine Option zur Steuerpflicht ausgeübt werden sollte oder es sich ohnehin um eine nicht steuerbare GiG handelt. 

Hinweise: Der wirksame Verzicht auf die Steuerfreiheit per Option kann allerdings nur im notariell zu beurkundenden Grundstückskaufvertrag erklärt werden. Eine nachträgliche Option ist zum Schutze des Käufers nicht mehr möglich, auch wenn sich die ursprüngliche rechtliche Einordnung des Geschäfts als GiG im Nachhinein als fehlerhaft herausstellt.

Empfehlungen zur Vertragsgestaltung

Käufer und Verkäufer sollten vor einer Grundstücksübertragung detailliert prüfen (lassen), ob eine GiG vorliegen könnte. Dabei muss insbesondere die aktuelle Auffassung der Finanzverwaltung beachtet werden.

Der notarielle Übertragungsvertrag über das Grundstück sollte Regelungen zum Interessensausgleich (Steuerklauseln) für den Fall enthalten, dass das Finanzamt später zu einer anderen steuerlichen Beurteilung des Sachverhalts als die beiden Vertragsparteien kommt. Für derartige vertragliche Vereinbarungen existieren Musterformulierungsvorschläge, die an den entsprechenden Sachverhalt angepasst werden sollten. Dabei wird entweder grundsätzlich davon ausgegangen, dass eine GiG oder dass keine GiG vorliegt und für den Fall, dass eine spätere Feststellung ergibt, dass die ursprüngliche Einschätzung unzutreffend ist, dem Verkäufer die Option zur Umsatzsteuerfreiheit eingeräumt wird (bzw. eine Rückzahlung der bisher gezahlten Umsatzsteuer an den Käufer vereinbart wird). Gem. der Auffassung der Finanzverwaltung gilt diese vorsorgliche und im Kaufvertrag erklärte Option als mit Vertragsschluss wirksam, sofern sich die ursprüngliche rechtliche Beurteilung später als unzutreffend herausstellt. 

Es sollte ebenfalls vertraglich geregelt werden, dass dem Erwerber durch den Veräußerer sämtliche Informationen hinsichtlich der seit der ursprünglichen Anschaffung geltend gemachten Vorsteuern zur Verfügung gestellt werden. Dies ist insbesondere im Hinblick auf eine etwaige Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG wichtig. Weiterhin ist denkbar, dass der Erwerber als Betriebsübernehmer nach § 75 AO unter bestimmten Umständen für Steuerschulden des Veräußerers haften muss. Dieses Risiko sollte ebenfalls von einer Steuerklausel abgedeckt werden.

Zusätzlich besteht auch die Möglichkeit, im Voraus beim zuständigen Finanzamt einen Antrag auf verbindliche Auskunft hinsichtlich der umsatzsteuerrechtlichen Einordnung der Grundstücksübertragung zu stellen, um Rechtssicherheit zu erlangen. Dieses Verfahren ist allerdings häufig zeit- und kostenintensiv.

Empfehlungen: Bei der Veräußerung oder dem Erwerb von Immobilien ist es empfehlenswert, im Falle von Zweifeln über das Vorliegen einer GiG Rücksprache mit einem Steuerberater zu halten. Sofern die Voraussetzungen einer GiG gegeben sind, ist eine Option zur Umsatzsteuerpflicht nicht möglich; es sollte daher für den Fall einer späteren, anderslautenden Beurteilung (z.B. durch die Finanzverwaltung) im notariellen Kaufvertrag vorsorglich eine Option zur Umsatzsteuer vereinbart werden (Umsatzsteuerklausel). Für den umgekehrten Fall, dass wider Erwarten trotz ursprünglich anderer Beurteilung eine GiG vorliegt, ist es ebenfalls ratsam, eine entsprechende Klausel in den Vertrag aufzunehmen. Auch sollten sonstige steuerliche Risiken durch weitere Klauseln abgedeckt werden.

Zurück zur Übersicht
Zurück zum Seitenanfang