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Kommt die Reform des Stiftungsrechts 2021 oder kommt sie nicht?

Ein Zwischenruf

Mit einem Abstand von jeweils etwa zwei Jahren konnte die Stiftungswelt seit 2014 Zwischenstände zur Reform des Stiftungsrechts zur Kenntnis nehmen; schließlich kam es im September 2020 zur Veröffentlichung eines Referentenentwurfs (RefE) des BMJV mit wesentlich geänderten Vorschlägen zu einem neu gefassten Unterabschnitt des BGB zu Stiftungen, der zukünftig 36 Paragrafen umfassen soll – sowie außerdem einem Stiftungsregistergesetz mit weiteren 20 Paragrafen. Abweichend vom bisherigen Zweijahresrhythmus könnte bereits am Ende des ersten Quartals 2021 entweder über das Erreichen des nächsten „Meilensteins“ oder aber das Scheitern des Reformvorhabens in der laufenden Legislaturperiode zu berichten sein. Was darf man erwarten?

Vielfältige Kritik aus der Fachwelt zum RefE

Nachdem in 2014 der Einsatz einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Stiftungsrechts beschlossen worden war, gab diese in 2016 einen ersten Bericht heraus. 2018 folgte dann ein konkreter Diskussionsentwurf mit detaillierten Formulierungsvorschlägen zu den §§ 80 ff. BGB-neu.

Bereits dieser erste Diskussionsentwurf der Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat in 2018 einige Kritik der Fachwelt ausgelöst. Kurz zusammengefasst ging der Entwurf zwar grob in die richtige Richtung, enthielt aber eine Vielzahl von Details und Lücken, die mindestens als verbesserungsfähig angesehen wurden. Kritisiert wurde auch, dass die Ersetzung der Stiftungsverzeichnisse der Länder durch ein Stiftungsregister nicht vorgesehen war.

Weit darüber hinausgehend liegt mittlerweile zu dem im September 2020 vorgelegten RefE eine Vielzahl von überwiegend sehr kritischen Reaktionen aus der Wissenschaft sowie aus der Verbands- und der Beraterwelt vor.

Hinweis: Eine Sammlung von zehn Stellungnahmen (Stand 12.1.2021) stellt das Institut für Stiftungs- und Non-Profit-Recht-Recht der Bucerius Law School zur Verfügung (s.u. https://www.law-school.de/forschung-fakultaet/institute-und-zentren/institut-fuer-stiftungsrecht-und-das-recht-der-non-profit-organisationen/publikationen).

Moderate Kommentatoren attestieren den Autoren des RefE immerhin einen guten Willen. Andere sprechen davon, dass es sich um einen von Bürokraten für Bürokraten geschriebenen Gesetzestext handele, der ausschließlich deren eigene Vorstellungen und Wünsche im Hinblick auf ihre Aufsichtstätigkeit verwirkliche. Dementsprechend sei der Entwurf im Geiste einer obrigkeitsstaatlichen Gängelei geschrieben. Darüber hinaus hätten die Verfasser den Überblick über ihr eigenes umfangreiches Regelwerk verloren, woraus eine Vielzahl weiterer gravierender (gemeint sind handwerkliche) Fehler resultiere. Man hoffe auf ein Scheitern der Reform und glaube an einen neuen Anlauf in der neuen Legislaturperiode (so z.B. nahezu wörtlich Prof. Ulrich Burgard, abrufbar unter https://www.die-stiftung.de/stiftungsrecht/80-prozent-der-vorgeschlagenen-regelungen-sind-mangelhaft-90176/; grundlegend auch die sog. „Hamburger Erklärung“ zur Stiftungsrechtsreform anlässlich der Hamburger Tage des Stiftungs- und Non-Profit-Rechts 2020: https://www.law-school.de/fileadmin/content/law-school.de/de/units/inst_stiftungsrecht/pdf/Stellungnahme_zum_Referentenentwurf_final.pdf - Fassung 12.10.2020; s. ferner die Fassung vom 13.11.2020 in npoR 2021 S. 41).

Von einigen wenigen Mitwirkenden an dem Referentenentwurf wird die Kritik durchaus verstanden und sogar geteilt. Zusammengefasst heißt es von dort aber: „Über mehr war kein Konsens zu erzielen“.

Wesentliche Kritikpunkte im Überblick

Zu lang, zu unflexibel, zu rückwärtsgewandt, zu wenig Einfluss des Stifters – das sind zusammengefasst die wesentlichen Kritikpunkte, die u.a. in der sog. Hamburger Erklärung einzeln aufgeführt werden.

Bei aller berechtigter Kritik, die hier in wesentlichen Gesichtspunkten geteilt wird, ist dennoch nicht alles, was der Referentenentwurf zur Stiftungsrechtsreform enthält, aus inhaltlicher Sicht schlecht oder fachlich schlecht gemacht. Die Darstellung der Einzelheiten würde den Rahmen dieses Themenhefts aber überschreiten.

Umsetzungswahrscheinlichkeit

Wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der RefE in der gegenwärtigen Fassung Gesetz wird, lässt sich kaum prognostizieren. Angesichts aktuell drängender großer nationaler und auch internationaler Themen – genannt sei hier nur die Corona-Pandemie – werden die politischen Entscheidungsträger allerdings kaum zur intensiven inhaltlichen Auseinandersetzung mit Fragen der Neuordnung des Stiftungsrechts bereit sein. Wie man u.a. an der seit 2014 währenden Dauer des Reformvorhabens erkennen kann, steht das Stiftungsrecht nicht ganz oben auf der Prioritätenliste der Parteien. Vor diesem Hintergrund und der fundamentalen Kritik der Fachwelt besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Gesetzgeber nach dem Motto „dann eben nicht“ verfährt und das Thema Stiftungsrechtsreform zumindest in die nächste Legislaturperiode verschiebt.

Besteht aktuell Handlungsbedarf für Stiftungen und Stifter?

Eine zentrale Forderung vieler Vertreter aus der Stiftungsszene war und ist es, bei grundsätzlicher Beibehaltung des Ewigkeitsgedankens für Stiftungen die Einflussmöglichkeiten von Stiftern zu Lebzeiten etwas zu erhöhen. Falls die Stiftungsrechtsreform in etwa in der aktuellen Fassung zum Gesetz wird, ist allerdings das Gegenteil der Fall. Die Möglichkeiten von Stiftern, „ihrer“ Stiftung im Rahmen der Errichtung eine Verfassung nach den eigenen Vorstellungen zu geben, werden geringer sein als bisher.

Vor allem aber wird es zukünftig möglicherweise schwieriger werden, Satzungsänderungen durchzusetzen. Bisher ist es jedenfalls nach unserer Erfahrung in vielen Fällen faktisch möglich, sinnvolle Satzungsänderungen im Ergebnis auch dann umzusetzen, wenn die Stiftungsbehörden zunächst skeptisch reagieren. Dies gilt insbesondere im Falle von noch lebenden Stiftern, die kleinere „Nachjustierungen“ vornehmen wollen.

Empfehlung: Insbesondere aus letzterem Grund lautet unser Rat zu potenziellen Stiftungserrichtungen und potenziellen Satzungsänderungen daher: „Besser jetzt als später“.

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