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Kooperationen zwischen gemeinnützigen Körperschaften

Neue Spielräume für die Zusammenarbeit?

Infolge der grundsätzlichen Bindung der Mittelverwendung und des Vermögens bei gemeinnützigen Körperschaften an den jeweiligen Satzungszweck ergeben sich im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit anderen gemeinnützigen oder nicht-gemeinnützigen Körperschaften oft besondere rechtliche und steuerliche Fragestellungen. Die Notwendigkeit eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens mehrerer gemeinnütziger Einrichtungen, sei es durch Kooperationen zwischen bestehenden Einheiten oder durch die Aufspaltung bestehender Einheiten in Holdingstrukturen, hat in den letzten Jahren tendenziell zugenommen. Mit der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts durch das Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) haben sich wesentliche Grundlagen für die Zusammenarbeit geändert; einen Überblick über die Änderungen enthält unser Beitrag aus Februar 2021. Aufgrund der Bedeutung des Themas für die Branche werfen wir im Folgenden einen detaillierteren Blick auf neue Spielräume, neue Grenzen und auch weiterhin verbliebene Herausforderungen.

Zentrale Fragestellungen und Regelungen

Bei der Gestaltung von Kooperationen zwischen gemeinnützigen Körperschaften oder zwischen gemeinnützigen und nicht-gemeinnützigen Körperschaften sind die Grundkonstellationen danach unterscheidbar, ob eine gesellschaftsrechtliche Verbindung besteht oder nicht.

Von einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung unabhängige Kooperationen 

Unabhängig davon, ob die Kooperationspartner gesellschaftsrechtlich in einem Mutter-Tochterverhältnis miteinander verbunden sind oder nicht, stellt sich zum einen die Frage, inwieweit Mittel einer gemeinnützigen Körperschaft an einen gemeinnützigen Kooperationspartner weitergegeben werden dürfen. Hierbei geht es häufig um Geldmittel, aber auch um „Sachmittel“ wie z.B. Räumlichkeiten oder um Personal. Die zentralen Regelungen hierzu enthielt bisher der § 58 der AO in seinen Nrn. 1, 2, 4 und 5. Hier hat das JStG 2020 die Nr. 1 neu gefasst und die Nr. 2 gestrichen (vgl. zu einer Gegenüberstellung der bisherigen und der neuen Rechtslage die Tabelle "Kooperation von gemeinnützigen Körperschaften").

Daneben stellt sich häufig die Frage, ob Dienstleistungen und (entgeltliche) Nutzungsüberlassungen – wie z.B. die Essensversorgung bzw. Verwaltungsdienstleistungen, die innerhalb einer gemeinnützigen Einrichtung als Sekundärbereiche zum Zweckbetrieb gehören – auch dann in der gemeinnützigen Sphäre verbleiben, wenn sie auf eigenständige Gesellschaften übertragen bzw. an andere gemeinnützige Einrichtungen erbracht werden. Hierbei ist im Kern fraglich, ob solche Leistungen der unmittelbaren Zweckverwirklichung dienen und somit gemeinnützig sein können. Mit dem JStG 2020 wurde dazu dem § 57 AO (Vorschriften zur Unmittelbarkeit) ein neuer Absatz 3 angefügt (vgl. nachfolgende Tabelle).

Kooperationen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage

Bei der Kooperation von gemeinnützigen Körperschaften durch Begründung von Mutter-Tochter-Beteiligungsverhältnissen stellt sich regelmäßig die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass alle an einem „gemeinnützigen Konzern“ beteiligten Körperschaften den Status der Gemeinnützigkeit behalten. Dies ist für gemeinnützige Tochtergesellschaften i.d.R. unproblematisch, selbst wenn diese im Auftrag ihrer gemeinnützigen Muttergesellschaft als sog. Hilfsperson gem. § 57 Abs. 1 AO im Rahmen der eigenen Satzungszwecke tätig sind. Gemeinnützigkeitsrechtlich unproblematisch waren und sind auch Muttergesellschaften, die neben dem Halten von Beteiligungen selbst unmittelbar eigene gemeinnützige Tätigkeiten betreiben. Problematisch war aber bisher die Errichtung einer gemeinnützigen Muttergesellschaft, die ausschließlich als Holding für ihre gemeinnützigen Töchter agierte. Diese Lücke ist jetzt durch den neuen Absatz 4 des § 57 AO geschlossen worden (vgl. nachfolgende Tabelle).

Details zu wesentlichen Aspekten der Neuregelungen behandeln wir nachfolgend.

Neuregelungen zur Mittelweitergabe

Die bisherigen grundlegenden Regelungen zur Mittelweitergabe von einer gemeinnützigen an eine andere gemeinnützige Einrichtung – z.B. in Form von Gewinnausschüttungen an den gemeinnützigen Gesellschafter, durch verbilligte oder unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen oder durch die Weitergabe von Spendenmitteln von einer Stiftung an eine andere Stiftung – waren bisher in § 58 Nr. 1 AO für die „vollständige“ Mittelweitergabe bzw. § 58 Nr. 2 AO für die „teilweise“ Mittelweitergabe geregelt. Nunmehr hat der Gesetzgeber mit dem JStG 2020 die Nr. 2 des § 58 ersatzlos gestrichen und die Mittelweitergabe einheitlich in § 58 Nr. 1 AO geregelt. Die Mittelweitergabe ist weiterhin nur an andere Körperschaften bzw. an juristische Personen bzw. Körperschaften des öffentlichen Rechts (jPöR bzw. KöR) für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke zulässig. 

Für die Praxis sind mit den Neuregelungen insbesondere fünf wesentliche Änderungsbereiche bedeutsam:

Satzungszweck

Während der bisherige § 58 Nr. 1 AO für die Mittelweitergabe voraussetzte, dass der Satzungszweck der Mittelempfängerin insoweit mit dem Satzungszweck der Mittelgeberin übereinstimmte, ist diese Voraussetzung nunmehr gemeinnützigkeitsrechtlich entfallen (so die expliziten Ausführungen hierzu in der Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drucks. 19/25160, S. 203). Allerdings sollten aus vereins-, stiftungs- bzw. spendenrechtlichen Gründen Mittelweitergaben auch zukünftig weitestgehend an die eigenen Satzungszwecke der Geberkörperschaft gebunden sein.

Mittelempfänger

Die Zuwendung an Körperschaften privaten Rechts setzt voraus, dass die Empfängerkörperschaft selbst steuerbegünstigt ist. Diese Voraussetzung gilt nunmehr nicht nur für (in Deutschland) unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften, sondern auch für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften. Nach den Ausführungen in der Gesetzesbegründung (vgl. ebenda) kommen folgende Mittelempfänger in Betracht:

  •  Inländische steuerbegünstigte Körperschaften.
  •  Ausländische Körperschaften, die in Deutschland mit inländischen Einkünften der Steuerpflicht unterliegen (beschränkt steuerpflichtige Körperschaften), dürfen nur noch gefördert werden, wenn sie in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat steuerlich ansässig sind und sämtliche Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllen(§ 5 Abs. 2 Nr. 2, 2. Halbsatz KStG); dies stellt in der Praxis allein schon wegen der strengen Satzungsanforderungen eine erhebliche Hürde dar. Beschränkt steuerpflichtige Körperschaften aus Drittstaaten dürfen hingegen nicht gefördert werden.
  • Ausländische Körperschaften ohne inländische Einkünfte, bei denen die spätere Verwendung der Mittel für steuerbegünstigte Zwecke ausreichend nachgewiesen wird.
  • Juristische Personen des öffentlichen Rechts.

Zwischenergebnis: Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die gemeinnützigkeitsrechtlichen Regelungen für Mittelweitergaben zwar vereinheitlicht worden sind, dass aber in der Praxis weiterhin auf die überwiegende Identität der Satzungszwecke der „gebenden“ und „nehmenden“ Körperschaft zu achten ist und die Zuwendung an ausländische Körperschaften weiterhin erhebliche Hürden aufgrund der Komplexität der Regelungen und der Nachweisführung mit sich bringt.

Vertrauensschutz

Erleichternd wirkt der neu eingeführte Vertrauensschutz für die fördernde Körperschaft durch den neuen § 58a AO. Danach darf die fördernde Körperschaft grundsätzlich darauf vertrauen, dass die empfangende Körperschaft gemeinnützig ist und die Mittel für steuerbegünstigte Zwecke verwendet, wenn sie von der empfangenden Körperschaft zum Zeitpunkt der Zuwendung entweder 

  • einen Freistellungsbescheid oder eine entsprechende Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid, dessen bzw. deren Datum nicht länger als 5 Jahre zurückliegt, vorgelegt bekommen hat oder 
  • einen Feststellungsbescheid nach § 60a AO, dessen Datum nicht länger als 3 Jahre zurückliegt; dies gilt allerdings nur bei neu gegründeten Empfängerkörperschaften, denen diese Bescheide bisher noch nicht erteilt worden sind. 

Hinweis: Der Vertrauensschutz gilt nicht, wenn die zuwendende Körperschaft die Unrichtigkeit der vorgenannten Bescheide kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt oder selbst veranlasst, dass die Mittel für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden.

Begriffe Mittel und Mittelweitergabe

Gesetzessystematisch hervorzuheben sind noch zwei begriffliche Aspekte der Neuregelung: Erstens spricht § 58 Nr. 1 AO nun nicht mehr von der „Mittelbeschaffung“, sondern von der „Mittelweitergabe“. Hiermit wird zutreffend auf den Kern einer gemeinnützigen Fördertätigkeit abgestellt: Es geht nicht in erster Linie um die Beschaffung, sondern um die Weitergabe wirtschaftlicher Vorteile. Dies beinhaltet neben unentgeltlichen Überlassungen von Sach- und Geldmitteln auch die unentgeltliche oder verbilligte Nutzungsüberlassung oder Erbringung von Dienstleistungen. Damit umfasst nunmehr der § 58 Nr. 1 AO auch explizit die entsprechende Überlassung von Räumen, die dennoch in § 58 Nr. 5 gesondert geregelt ist. Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzeswortlaut nunmehr die Definition enthält, dass unter „Mittel“ sämtliche Vermögenswerte der Körperschaft fallen.

Satzungsgrundlage für reine Förderkörperschaften

Der § 58 Nr. 1 Satz 4 AO (neu) verankert nunmehr die Satzungsgrundlage für reine Förderkörperschaften und stellt klar, dass die Mittelweitergabe in diesem Fall als Art der Zweckverwirklichung in der Satzung zu benennen ist.

Dienstleistungen und Nutzungsüberlassungen als gemeinnützige Tätigkeiten

Begünstigung reiner Servicegesellschaften

Im arbeitsteiligen Zusammenwirken gemeinnütziger Körperschaften spielt die Bündelung von Sekundärbereichen (z.B. Gebäude- und Wäschereinigung, Küchenleistungen, zentrale Verwaltungsleistungen wie Rechnungswesen, Controlling, IT und Lohnabrechnung) eine immer wichtigere Rolle. Mit den vorgenannten Bereichen konnte bislang aber – isoliert betrachtet – keine steuerbegünstigte Tätigkeit begründet werden, da die Serviceleistungen nicht auf die unmittelbare Verfolgung eines gemeinnützigen Zwecks gerichtet sind. Hier hat der Gesetzgeber nunmehr mit der Einführung des § 57 Abs. 3 AO die Grundlage geschaffen, dass auch reine Servicegesellschaften begünstigt sein können, wenn

  • die Servicegesellschaft durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer anderen gemeinnützigen Körperschaft steuerbegünstigte Zwecke im Sinne der AO erfüllt und
  •  das „planmäßige Zusammenwirken“ als Art der Zweckverwirklichung in der Satzung verankert ist.

Die i.d.R. entgeltlich erbrachten Leistungen der Servicegesellschaft erfolgen unter diesen Voraussetzungen dann in einem Zweckbetrieb, wenn die Tätigkeiten in der Zusammenschau der zusammenwirkenden Körperschaften die Zweckbetriebsvoraussetzungen erfüllen.

Beispiel: In dem in der Gesetzesbegründung angeführten Beispiel des Zusammenwirkens einer Wäscherei-GmbH und einer Krankenhausgesellschaft wird ein Zweckbetrieb i.S. des § 67 AO („Krankenhaus“) betrieben.

Vorteile hinsichtlich der Gestaltung von Verrechnungspreisen und Mittelweitergaben

Neben der Ertragsteuerbefreiung auf etwaige Gewinne bringt das „Gemeinnützigwerden“ der Servicegesellschaft Vorteile hinsichtlich der Gestaltung von Verrechnungspreisen und Mittelweitergaben mit sich, die diese Gestaltung im gemeinnützigen Verbund durchaus attraktiv machen. Da die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit gem. § 60 Abs. 2 AO im gesamten Veranlagungszeitraum vorliegen müssen, sollten Satzungsänderungen mit Blick auf das Wirtschaftsjahr 2022 jetzt zeitnah angegangen werden.

Das geforderte planmäßige Zusammenwirken kann unabhängig von einer Einbindung in ein gesellschafts-rechtliches Mutter-Tochter-Verhältnis erfolgen. Allerdings kann das in den gemeinnützigen Strukturen zentrale Problem der Umsatzsteuervermeidung, dass daraus resultiert, dass der Leistungsempfänger i.d.R. nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, auch weiterhin vollständig nur durch die Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft gelöst werden kann. Dies ist nur in Mutter-Tochter-Strukturen möglich. Dadurch, dass die Serviceleistung zukünftig in einem Zweckbetrieb erbracht wird, kann u.U. jedoch der ermäßigte Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG zur Anwendung kommen.

Die gemeinnützige Holding

Eine weitere deutliche Gestaltungserleichterung bringt der neu eingefügte § 57 Abs. 4 AO mit sich. In der Praxis sollen häufig Kooperationen von bislang selbständig tätigen gemeinnützigen Körperschaften durch die Begründung einer Holdinggesellschaft unter einem Dach zusammengeführt werden. Da das reine Halten von Beteiligungen an gemeinnützigen Körperschaften bislang nicht als unmittelbare Zweckverwirklichung galt, waren in der Praxis aus rein steuerlichen Gründen über die beabsichtigte Holdingfunktion hinaus weitere Tätigkeiten bei der Obergesellschaft zu verankern, um die Gemeinnützigkeit der Holdinggesellschaft zu erreichen. Dies ist jetzt nicht mehr erforderlich.

Darüber hinaus dürfte mit dem neuen § 57 Abs. 4 AO wohl generell gelten, dass es sich bei Beteiligungen an gemeinnützigen Kapitalgesellschaften um sog. nutzungsgebundenes Vermögen handelt und die Beteiligung nicht mehr im Bereich der Vermögensverwaltung gehalten wird. Dies dürfte Spielräume hinsichtlich der Beteiligungsfinanzierung mit zeitnah zu verwendenden Mitteln eröffnen.

Empfehlung: Damit Vorteile aus den Neuregelungen, die eine Satzungsänderung erfordern, genutzt werden können, empfehlen wir, Ihre Satzung noch in diesem Kalenderjahr (!) zu überprüfen und erforderlichenfalls zu ändern.

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