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Auf dem Weg zur Nachhaltigkeitsberichterstattung – Teil I: Aktuelle Regulierungsinitiativen auf EU-Ebene kurz vor der Umsetzung

Der aktuelle Richtlinienvorschlag der EU-Kommission konkretisiert bis 2023 die Nachhaltigkeitsberichterstattung durch Standards und erweitert den Anwendungsbereich bis 2026 auf KMU. Die nachfolgenden Erläuterungen der Hintergründe und der bereits bestehenden Rechtsakte zeigen auf, welche Anforderungen hierbei beachtet und wie sie erfüllt werden müssen.

Hintergründe

Bereits 1999 wurden auf globaler Ebene die ersten Initiativen erstellt, um ökologische und soziale Ziele zu gestalten. Mit der UN-Agenda 2030 in 2015 und den darin enthaltenen „Sustainable Development Goals“ wurden zentrale Themenbereiche definiert und bis heute – zuletzt im November 2021 bei der COP 21 in Glasgow – weiterentwickelt. Aufbauend auf der UN-Agenda 2030 und weiteren globalen Abkommen verfasste die EU-Kommission mehrere Aktionspläne wie z.B. den „EU Green Deal“, woraus u.a. die Rechtsakte der Offenlegungsverordnung (Offenlegungs-VO), der Taxonomie-Verordnung (Taxonomie-VO) und die nichtfinanzielle Berichterstattung entstanden sind.

Offenlegungs- und Taxonomie-Verordnung

Die im Dezember 2019 in Kraft getretene Offenlegungs-VO trägt dazu bei, konsistente Offenlegungsanforderungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit zu schaffen. Diese VO erfasst alle Finanzmarktteilnehmer und hat das Ziel, in Beratungs- und Investitionsentscheidungsprozessen ESG-Faktoren (vgl. Abbildung) zu berücksichtigen.

Hierbei handelt es sich um festgelegte Informationen, wie beispielsweise die Strategie zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken und eine Erklärung zur Wahrung der Sorgfaltspflicht bei nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren bei Investitionsentscheidungen, die auf der Internetseite veröffentlicht werden müssen. Momentan umfasst diese Verpflichtung alle Finanzmarktteilnehmer mit mehr als 500 Mitarbeitern. Neben der Berücksichtigung in Entscheidungsprozessen spielt auch die eigentliche Geschäftstätigkeit eine Rolle. Mit der Taxonomie-VO schuf die EU-Kommission einen Rechtsakt, um wirtschaftliche Tätigkeiten als umweltverträglich zu klassifizieren und nach dem Grad der Umweltverträglichkeit zu bewerten. Hierbei wird in drei Arten von Finanzprodukten unterschieden:

  • Dunkelgrün: mit nachhaltiger Bestrebung, 
  • Hellgrün: mit Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Merkmalen in der Investitionsentscheidung 
  • Sonstige, die die Anforderungen der EU-Kriterien nicht erfüllen. 

Dadurch sollen u.a. auch private Investitionen in grüne und nachhaltige Projekte gefördert werden. Die Taxonomie-VO trat im Juli 2020 in Kraft.

Beide Verordnungen werden in mehreren Phasen umgesetzt. Sie bilden auch die Grundlage der Nachhaltigkeitsberichterstattung, die in den nächsten Jahren mit neuen Anpassungen und Erweiterungen eine wichtige Rolle in der Rechnungslegung einnehmen wird.

Nichtfinanzielle Berichterstattung

Bereits seit 2014 haben Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern eine nichtfinanzielle Berichterstattung vorzunehmen. Im Lagebericht oder einem gesonderten nicht-finanziellen Bericht sind Angaben zu den ESG-Faktoren zu veröffentlichen. Bislang fehlt es an einer Vorgabe zur Berichterstattung, daher ist eine Vergleichbarkeit von Unternehmen und deren Berichten zum jetzigen Zeitpunkt oft nicht möglich. Des Weiteren sind die Angaben nicht Teil einer Abschlussprüfung. Aufbauend auf der bisherigen Richtlinie wird deshalb momentan die nichtfinanzielle Berichterstattung weiterentwickelt und unter dem neuen Begriff Nachhaltigkeitsberichterstattung bzw. CSR-Richtlinie (engl. Corporate Sustainability Reporting Directive) von der EU-Kommission vorgeschlagen.

Nachhaltigkeitsberichterstattung

Momentan handelt es sich bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSR-Richtlinie) um einen im April 2021 vorgelegten Vorschlag. Dieser greift im Wesentlichen das Ausweiten des Anwendungsbereichs und offene Punkte der nichtfinanziellen Berichterstattung auf. Ein zentraler Aspekt in der Erweiterung des Anwendungsbereichs ist die Unterscheidung zwischen großen Unternehmen einerseits und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) andererseits. 

Nunmehr haben folgende Unternehmen die Vorgaben zu beachten, die mehr als zwei der folgenden drei Merkmale erfüllen: 

Große Unternehmen, ab 2023: 

  • Bilanzsumme 20 Mio. € 
  • Umsatzerlöse 40 Mio. € 
  • 250 Mitarbeiter/Jahresdurchschnitt

KMU, sofern börsennotiert, ab 2026: 

  • Bilanzsumme: 350 T€ 
  • Nettoumsatzerlöse: 700 T€ 
  • 10 MA Mitarbeiter/Jahresdurchschnitt

Hinweis: Weiterhin enthält die Richtlinie Vorschläge für freiwillige Angaben nicht-börsennotierter KMU. 

Auch bezüglich der Inhalte und Formate sieht der neue Richtlinienvorschlag deutliche Änderungen vor. Zum einen hat die Nachhaltigkeitsberichterstattung nun verbindlich im Lagebericht zu erfolgen, ein gesonderter Bericht wird nicht mehr zugelassen. In diesem Zusammenhang wird auch die Pflicht zur Prüfung durch den Abschlussprüfer eingeführt. Weiterhin sollen die Angaben durch das Festlegen von Standards konkretisiert und eine klare qualitative und quantitative Prüfungsgrundlage geschaffen werden. Aktuell befindet sich die Richtlinie im Stadium der Verhandlungen im Europarat und im Europäischen Parlament. 

Entwicklungen bei Standardsetzern

Die Festlegung von Berichtsstandards ist ein zentraler Aspekt der neuen CSR-Richtlinie. Seit einiger Zeit gibt es Initiativen und Vorschläge zur Festlegung, die sich bisher jedoch noch nicht zu global umgesetzten Standards entwickelt haben. Mit der geplanten Umsetzung zum 31.10.2023 beauftragte die EU-Kommission die von der EU geförderte private Organisation European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) zur Entwicklung von Standards für die CSR-Richtlinie. Außerdem beschäftigt sich aktuell die IFRS-Foundation mit dem im November 2021 ins Leben gerufenen International Sustainability Standards Board um globale Standards. 

Fazit

Sowohl auf globaler als auch auf europäischer und nationaler Ebene gewinnt die Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung. Ziele und Rechtsakte werden konkreter und sind bereits zum Teil in der Anwendung. Bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung werden mit dem neuen Richtlinienvorschlag sich aufzeigende Lücken geschlossen und Anwendungsbereiche erweitert. Nichtsdestotrotz gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine klaren Vorstellungen, wie eine standardisierte qualitative und quantitative Nachhaltigkeitsberichterstattung auszusehen hat, sodass die weiteren Entwicklungen bis zur Anwendung ab Oktober 2023 abzuwarten bleiben.

Ausblick: Mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind für mittelständische Unternehmen nicht nur Aufwendungen infolge der Ausweitung der Reportingpflichten verbunden, sondern auch bedeutsame Chancen. Diese bestehen darin, dass soziale und ökologische Aspekte bei der Entscheidungsfindung von Stakeholdern (Kapitalgebern, Mitarbeitenden, Kunden) zunehmend Berücksichtigung finden. Insoweit trägt Nachhaltigkeitsberichterstattung zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und der langfristigen Sicherung des Geschäftsmodells bei. Was das im Einzelnen bedeutet, wird Gegenstand des Teils II dieser Beitragsserie sein. Für Teil III ist ein Erfahrungsbericht vorgesehen, der auf einem bereits für ein KMU erstellten Nachhaltigkeitsbericht fußt.

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